Andreas Steingröver / Rasmus Krevet
1 Einleitung, 2 Überblick über das Verkehrskonzept Autoshuttle, 3 Aufgaben der zentralen Betriebsleitung, 4 Architektur des Steuerungssystems für das Rendezvous-Manöver, 5 Steuerung des Rendezvous-Manövers, 6 Ausfallbetrachtungen, 7 Ausblick, Literatur, Die Autoren, Summary
Das neue Verkehrskonzept „Autoshuttle“ stellt eine wirkliche Integration von Individual- und schienengebundenen Verkehr dar, bei demdas Betriebskonzept viele individuelle Fahrzeuge vorsieht, die während der Fahrt in einem Rendezvous-Manöver einen Konvoi bilden. An den Zwischenstationen an der Strecke verlassen die Fahrzeuge den Konvoi nur bei Bedarf, um über eine starre Weiche, auf denen die Fahrtrichtung allein durch fahrzeugseitige Aktoren bestimmt wird, zur Haltestation zu gelangen. Das signaltechnisch sichere Steuerungssystem für das Rendezvous-Manöver steuert und sichert die Fahrzeugbewegung ausschließlich mit streckenseitig angeordneten Komponenten. Die quantitativen Sicherheitsanforderungen werden basierend auf einer redundanten Architektur des Langstator-Synchron-Motors erfüllt.
Das neue Verkehrskonzept „Autoshuttle“ [1], [2] resultiert aus einer konsequenten Analyse der Benutzeranforderungen und der durch den Stand der Technik, Finanzierung, wirtschaftlichen Nutzen und Umweltschutz gegebenen Rahmenbedingungen.
Individuelle Magnetbahnkabinen transportieren Straßenfahrzeuge mit deren Insassen. Während der Fahrt werden Konvois mit sehr geringem Luftwiderstand gebildet. Es gibt etwa alle fünf Kilometer Stationen, an denen nur gehalten wird, wenn der Benutzer dies beispielsweise zu Fahrtbeginn oder kurz vorher gewünscht hat. Eine detaillierte Finanzierungsstudie ergibt einen subventionsfreien und gewinnbringenden Bau und Betrieb, wobei ein Fahrpreis für den Benutzer zugrundegelegt ist, der unter den reinen Betriebskosten beim selber fahren mit dem Straßenfahrzeug liegt. Das Konzept basiert auf der Magnetschwebetechnologie mit Langstatorantrieb, und nutzt nachhaltig deren systemspezifische Vorteile:
2 Überblick über das Verkehrskonzept Autoshuttle
Bild
1: Magnetschwebe-Fahrzeug für Personenwagen
Bild 1 zeigt ein Magnetschwebe-Fahrzeug
für den Transport von Personenwagen. Die Autoinsassen können
während der Fahrt im Auto sitzen bleiben. Das Kabinengehäuse
und die vordere, hochklappbare Ausfahrtstür sind aus durchsichtigem
Kunststoff. Die hintere, zweiteilige und seitlich öffnende Einfahrtstür
und das Untergestell sind undurchsichtig. Die Frontpartie ist strömungsgünstig
ausgerundet. Die Heckpartie der Kabine steht am Fahrzeugumfang über
die Hecktür hinaus, so daß sie mit der Frontpartie des folgenden
Fahrzeugs kongruent abschließt. Bei der Fahrt im Konvoi fährt
das nachfolgende Fahrzeug direkt bis an das Heck des vorausfahrenden Fahrzeugs
heran, so daß ein strömungsgünstiger, fast vollkommen glatter
Übergang mit konstantem Querschnitt zwischen den Fahrzeugen erreicht
wird. Es gibt Fahrzeuge mit kleinem Kabinenquerschnitt für Personenautos
und mit großem Kabinenquerschnitt für Lastwagen und Busse. Beide
Typen weisen verschiedene Längen auf. Alle Fahrzeugtypen fahren auf
der gleichen Spurweite und bilden Konvois aus Fahrzeugen mit gleichem Querschnitt.
Die übliche Betriebsgeschwindigkeit beträgt 180 km/h für
alle Fahrzeuge. Durch die einheitliche Geschwindigkeit ergibt sich eine
optimale Streckenleistungsfähigkeit. Im Inneren ist ein flaches Bedienterminal
beweglich an der linken Seite angeordnet, an dem der Fahrer per Spracherkennung
oder Tastatur sein Fahrtziel eingibt und bezahlt.
Bild 2 zeigt eine vereinfachte Prinzipskizze
einer Station von oben. Die Stationen sind typischerweise so dicht wie
Autobahnauffahrten entlang der Strecke angeordnet, also etwa alle 5 km.
Über eine starre, das heißt Ohne bewegliche Teile ausgeführte
Weiche 1 verläßt ein ausfahrendes Fahrzeug 2 den Konvoi 3 aus
unmittelbar hintereinanderfahrenden Fahrzeugen. (Zur detaillierten Beschreibung
der starren Weiche siehe [2]). Die Abzweigerichtung wird durch Aktoren
auf dem Fahrzeug festgelegt. Auf einer etwa 1 km langen Verzögerungsspur
4 bremst das Fahrzeug ab, fährt über eine weitere starre Weiche
5 nach rechts und kommt in einer Ausfahrbucht 6 zum Stehen, wo das beförderte
Straßenfahrzeug durch die Vordertür ausfährt. Danach fährt
das Magnetschwebefahrzeug ein kurzes Stück zurück in eine Einfahrbucht
7, wo von hinten wieder ein neues Straßenfahrzeug einfährt.
Sobald ein Konvoi 3 auf dem Hauptgleis 8 einen 1500 m vorher liegenden
Referenzpunkt passiert, beschleunigt das Magnetschwebefahrzeug, schwenkt
über eine starre Weiche 9 auf das Hauptgleis 8 und wird beim Erreichen
der Betriebsgeschwindigkeit sanft vom Konvoi 3 eingeholt. Wer nicht ausfahren
will, fährt also an einer Station mit voller Geschwindigkeit vorbei.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit ist daher annähernd 180 km/h. Die
Auto-Konvois folgen bei einer typischen Auslastung der Strecke im 2-Minutenabstand
aufeinander, die Lastwagen- und Bus-Konvois ca. im 6-Minutenabstand.
3 Aufgaben der zentralen Betriebsleitung
Die Betriebsleitung übernimmt eine Zentrale. Zu den Aufgaben der Betriebsleitung gehören im wesentlichen die Disposition der Fahrzeuge. An den einzelnen Stationen müssen entsprechend dem erwarteten und dem aktuellen Bedarf genügend Fahrzeuge bereitgestellt werden. Weiterhin muß das einzelne Fahrzeug zu dem jeweiligen individuellen Ziel geleitet und Fahrpreisinformationen übermittelt werden. Dazu ist in geringem Umfang eine Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Zentrale erforderlich.
Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Zentrale erfolgt beispielsweise mit HF-Leckkabeln im Fahrweg oder per Datenfunk. Die Zentrale empfängt dabei von den Fahrzeugen die folgenden Meldungen:
4 Architektur des Steuerungssystems für das Rendezvous-Manöver
Bild
3: Dispositive Leitzentrale und zugeordnete sichere Steuersysteme
An die dispositive Steuerungsebene der
Zentrale schließen mehrere signaltechnisch sichere Systeme an wie
es in Bild 3 dargestellt ist. Ein Typ dieser Systeme ist an den Fahrwegabschnitten
angeordnet, auf denen ein Rendezvous stattfindet. Das Steuerungssystem
basiert auf einem linearen Langstatorsynchronantrieb für die Magnetschwebefahrzeuge.
Der Langstator ist in individuell geregelte Abschnitte unterteilt, bei
denen die Länge entsprechend den Anforderungen für das Rendezvous-Manöver
variiert. Die Länge der Motorabschnitte im Bereich des Rendezvous
ist kürzer als die Länge des kürzesten Fahrzeugs. In der
letzten Phase vor dem Aufschließen ist nur ein Teil der Fahrzeuglänge
von aktivierten Motorabschnitten überdeckt. In den Bereichen, wo kein
Rendezvous stattfindet, können die Abschnitte sehr viel länger
sein. Ihre Länge ist limitiert durch die Zugfolgezeit und durch die
Konvoilänge.
Die Architektur und die Phasen
des Rendezvous sind in Bild 4 verdeutlicht. Bei einem Rendezvous-Manöver
fährt ein Fahrzeug 1 hinter einem anderen Fahrzeug 2 auf einer Strecke
mit Langstatormotorabschnitten. Die einzelnen Abschnitte sind als Rechtecke
dargestellt. Das vordere Fahrzeug 2 beschleunigt und wird beim Erreichen
der Streckengeschwindigkeit vom hinteren Fahrzeug 1 eingeholt. Die Fahrzeuge
1 und 2 bilden dann einen Konvoi aus unmittelbar hintereinander fahrenden
Fahrzeugen.
Das Rendezvous-Manöver kann in Phasen a) bis d) wie in Abbildung 4 dargestellt eingeteilt werden. Phase a) ist der Beginn des Rendezvous, wenn beide Fahrzeuge ihre Anfangspositionen innerhalb der vom Steuerungsssystem überwachten Strecke erreicht haben. In Phase b) erfolgt eine Annäherung der Fahrzeuge bei voller Überdeckung der Fahrzeugreaktionsteile mit aktiven Motorabschnitten, solange bis in Phase c) nur noch eine teilweise Überdeckung bis zum Rendezvous in Phase d) besteht.
Aufgrund der vorteilhaften streckenseitigen Steuerung und Regelung der Fahrzeuggeschwindigkeit bei Antrieb mit einem Langstatormotor kann das sichere Steuerungssystem ebenfalls gänzlich streckenseitig installiert werden. Die Fahrzeugsteuerung erfolgt signaltechnisch sicher. Magnetfeldsensoren 4 sind in regelmäßigen Abständen entlang der Motorabschnitte angeordnet, wobei sich immer jeweils an den Enden der Motorabschnitte ein Sensor befindet. Der maximale Abstand zwischen zwei Sensoren ist die minimale Länge eines Fahrzeugs. Die Sensorsignale werden den Motorsteuerungen 5 direkt zugeleitet und dort verarbeitet. Alle Motorsteuerungen sind dabei mit einem Bus 6 verbunden.
Der Bus 6 erstreckt sich über die gesamte vom Rendezvous-Steuerungssystem gesteuerte und überwachte Strecke. Die Ausdehnung dieses Bereichs muß wenigstens die Bremswegentfernung hinter dem Fahrzeug 2 einschließen, damit in alle betrieblichen Umständen ein sicherer Zustand eingehalten werden kann. Typische Formen eines solchen Bereiches sind lineare Strukturen oder Y-förmige Strukturen wie bei Autoshuttle mit einer Station neben einer durchgehenden Strecke.
5 Steuerung des Rendezvous-Manövers
Im Betrieb detektieren die Sensoren 4 das magnetische Erregerfeld der Motorreaktionsteile an den Spitzen der Fahrzeuge 1 und 2, die über die Sensoren hinwegfahren. Die Detektion eines Fahrzeugs wird den Motorsteuerungen 5 mitgeteilt, die dann die Motorströme entsprechend der Fahrzeugbewegung regeln. Die Motorsteuerung 5 überträgt die Position, Geschwindigkeit und Beschleunigung zu den benachbarten Motorsteuerungen. Die Nachbarmotorsteuerung in Fahrtrichtung berechnet dann die erforderliche Geschwindigkeit und Beschleunigung.
Der Motorabschnitt ist deaktiviert solange kein Fahrzeug ihn befährt. Bei Detektion eines Fahrzeugs durch die Sensoren 4 an den Enden des Motorabschnitts wird der Motorabschnitt aktiviert. Bei Detektion eines zweiten Fahrzeugs oder Fahrzeuggruppe mit einer anderen Geschwindigkeit als die erste Fahrzeuggruppe wird der Motorabschnitt deaktiviert.
Das Rendezvous-Manöver erfolgt entsprechend der folgenden Regelprinzipien:
Parameterbeschränkung:
Das Steuerungssystem verhindert im Regelbetrieb Kollisionen zwischen Fahrzeugen nach den oben beschriebenen Prinzipien. Ergibt sich im Fehlerfall jedoch, daß ein Fahrzeug hinter der Sollposition zurückbleibt, werden alle nachfolgenden Fahrzeuge, die mit dem zurückbleibenden Fahrzeug in Konflikt geraten könnten, nach Ablauf einer Toleranzzeit gebremst. Das vordere Fahrzeug führt nach der Einfahrt in das Hauptgleis im Fall einer Störung, die das weitere Beschleunigen verhindert, einen Zielhalt durch. Es wird nicht sofort gebremst, sondern zunächst eine definierte Strecke mit etwa konstanter Geschwindigkeit zurückgelegt, damit das hintere Fahrzeug rechtzeitig hinter dem vorderen Fahrzeug anhalten kann.
Diese Sicherheitsfunktionen werden durch ein hochverfügbares Antriebs- und Bremssystem, wie es der Langstatormotor mit kurzen Abschnitten darstellt, gewährleistet. Jeder Motorabschnitt kann in allen Betriebsphasen mindestens zwei voneinander unabhängigen redundanten Stromversorgungen zugeschaltet werden. Im Regelbetrieb wird die Bremsenergie der Fahrzeuge wieder zurückgespeist. Ist dies im Störfall nicht möglich, wird die Bremsenergie in Bremswiderständen in Wärme umgewandelt. Die Bremsfunktion mit Widerständen als Rückfallebene ist daher noch höher verfügbar als die Antriebsfunktion.
Die Zulassung des signaltechnisch sicheren Steuerungssystems erfolgt nach den Europäischen Normen EN 50126, EN 50128 und EN 50129. In einer vorläufigen Fehlerbaumanalyse wurden die Gefährdungsraten quantifiziert. Es zeigt sich, daß mit den Eigenschaften
Mit dem vorgestellten Steuerungssystem
ist das Rendezvous
Manöver in der wirtschaftlich und
ökologisch interessanten Anwendung Autoshuttle realisierbar. Aufbauend
auf einem existierenden Magnetschwebe-Fahrzeug-Prototypen mit einer Tragkraft
von drei Tonnen soll zunächst die starre Weiche und danach das Rendezvous-Manöver
auf einer kreisförmigen Teststrecke erprobt werden. Die Entwicklung
wird von einem Zulassungsprozess gemäß der anzuwendenden Europäischen
Normen begleitet. Ein Entwicklungsplan (siehe [2]) sieht bei optimaler
Koordination der Entwicklungsarbeiten eine Dauer von zehn Jahren bis zur
Herstellung der Serienreife des Autoshuttle vor.
[1] Langstator-Synchron-Linearmotor-basierte
Steuerung des Rendezvous-Manövers, Symposium Automatisierungs- und
Assistenzsysteme für Transportmittel, Gesamtzentrum für Verkehr
Braunschweig, VDI Berichte, VDI-Verlag Düsseldorf, Erscheint 2000
[2] www.autoshuttle.de
[3] Maglev Transportation with Controlled
Permanent Magnets and Linear Synchronous Motors, Proceedings of 13th International
Conference on MAGLEV, Argonne, 1993
Dr. Ing. Andreas Steingröver
Geboren 1962. Studium und Promotion in
Elektrotechnik in Braunschweig am Institut für elektrische Maschinen,
Antriebe und Bahnen. Aufbau eines Magnetschwebe-Versuchsfahrzeugs mit Transversalfluß-Trag-
und Führsystem. Seit 1996 Mitarbeiter der Abteilung Systemtechnik
der DaimlerChrysler Rail Systems (Signal) GmbH.
Dr. rer. nat. Rasmus Krevet
Geboren 1963. Studium und Promotion in
Physik in Mainz und Braunschweig. Seit 1994 Studien und Veröffentlichungen
zu innovativen Betriebskonzepten von spurgeführten Verkehrsmitteln.
Seit 1997 Mitarbeiter der Abteilung Systemtechnik der DaimlerChrysler Rail
Systems (Signal) GmbH.
Anschrift der Autoren:
Wolfenbütteler Str. 86, D-38102 Braunschweig,
Andreas.Steingroever@de.adtranz.com, Rasmus.Krevet@de.adtranz.com,
The new economically and ecologically highly
promising application of magnetically levitated train systems „Autoshuttle“
for the transport of road vehicles with their passengers provides an operational
scheme with many small cabins, which form convoys during their trip in
a rendez-vous-manoeuvre. At intermediate stations along the line a cabin
leaves the convoy on demand only and then reaches the station via a non-moving
point, on which the travelling direction is determined by vehicle-born
actuators only. The vital control system for the rendez-vous-manoeuvre
is based entirely wayside. Quantitative safety requirements are achieved
incorporating a redundant architecture of the long-stator-linear-synchronous-motor.